Pressestimmen

This is the third of Christian Springer's German-language Verdi studies, following a book on the early interpreters of the operas and a miscellany. His new book is devoted to only one work, and it could be subtitled All you ever wanted to know. The texts quoted include the complete Spanish text of the original play by Antonio García Gutiérrez (also the author of the original of Il trovatore); Verdi's initial prose libretto; the full Italian libretto of the 1857 version with parallel translation; all suggested alterations during the work with Boito; and a faithful (rather than a singing) translation of the final 1881 version (the Italian being readily accessible). These are backed up by copious quotations from the letters of all concerned right from the first thoughts, bedded in the events around the previous premieres, through the various vicissitudes leading to the first performance in Venice, and on through the other early performances to the final revision.

Almost all the Italian performances of the first version after Venice are fully discussed; and there is a list of 19th century productions of the second version, some of them being also considered. Naturally, all relevant passages from the contemporary reviews are provided with thoughts on their possible political implications. Even a sole accusation of "Wagnerism" is dismissed with the information that Verdi first heard any of the German's music eight years after Boccanegra's premiere and commented "he's crazy".

Throughout, there are copious illustrations of the relevant artists, buildings and stage designs. Appendices include the stage disposition for the 1881 premiere, Petrarch's letters to the Doge and Council, a chronology and a bibliography. Finally, after a long introduction about the return to international stages after 1930 and a discussion of Verdi's requirements for the main characters, there is a list of all commercially available, more or less complete recordings, from the Met 78 rpm set in 1935 to the Allemandi CD of 2003.

Springer's style is reader friendly and, provided you don't get bogged down in the detail, this is a fascinating book packed with information. Indeed it is difficult to imagine what could be added. However, a good working knowledge of German is essential, and most of the documents are only given in Springer's own German translations, though of course footnotes give the original source.

Christopher Norton-Welsh
Opera (London), January 2010, S. 112 f.


Ein Stück für Kenner
Alles über Verdis Simon Boccanegra


Bis heute ist Verdis Simon Boccanegra ein Stück für Kenner geblieben, Wunschkonzertmelodien wird man hier vergeblich suchen, dafür aber mit einer im Werk des Komponisten beispiellosen Kompromisslosigkeit konfrontiert. Erreicht hat Verdi sein Ziel erst im zweiten Anlauf, als er die erfolglose Oper 1881, 24 Jahre nach ihrer Uraufführung, mit der dramaturgischen Unterstützung Arrigo Boitos grundlegend überarbeitete. Durchgesetzt hat sie sich freilich erst im Zuge der deutschen Verdi-Renaissance seit den 1930er-Jahren.

Der Wiener Verdi-Experte Christian Springer hat jetzt den verschlungenen Weg des Simon Boccanegra in einem voluminösen Buch nachgezeichnet, das auf umfassende Weise die Entstehungsgeschichte und Rezeption der beiden so grundverschiedenen Fassungen dokumentiert. Er hat in seine Darstellung den Briefwechsel Verdis mit seinen Librettisten Piave und Boito, seinem Verleger Ricordi und der Administration des venezianischen La Fenice-Theaters in wünschenswerter Vollständigkeit eingearbeitet. Man findet aber auch Informationen zu den Interpreten der beiden Uraufführungen sowie zu den wichtigsten Folgeaufführungen der Erstfassung bis hin zum Mailänder Fiasko im Januar 1859. Die ausführlich zitierten Pressestimmen zeigen, wie schwer es die Oper von Anfang an hatte, sich gegen die Erwartungen von Publikum und Kritik zu behaupten.

Am wertvollsten freilich ist der komplette Abdruck zweier bisher schwer zu beschaffender Quellen - García Gutiérrez' Drama Simón Bocanegra, der literarischen Vorlage der Oper, und Verdis Prosalibretto, das dem Librettisten Piave nur noch die Aufgabe der Versifikation überließ. Leider verzichtet Springer ausgerechnet in diesen beiden Fällen auf eine deutsche Übersetzung, während er selbst die Disposizione scenica, das gedruckte Regiebuch der Uraufführung der Zweitfassung, deren Wortlaut auch für den Laien einigermaßen leicht verständlich ist, im Original und in Übersetzung bringt. Dass er gerade diese Quelle, die nur noch von theaterhistorischem Interesse ist, für so wichtig hält, darf man als implizite Kritik am Regietheater verstehen. Abgerundet wird der dem Sänger Renato Bruson gewidmete Band u.a. durch eine kommentierte Diskografie und eine etwas einseitige Auswahlbibliographie.

Der Band ist für jeden, der sich in Zukunft mit Simon Boccanegra beschäftigt, unentbehrlich und füllt eine Lücke im Verdi-Schrifttum, das vergleichbare Dokumentationen zu Macbeth, Aida, Otello und Falstaff nur auf Englisch kennt. Man möchte Christian Springer ermuntern, sich auf dieselbe Weise auch des Don Carlos und seiner diversen Fassungen anzunehmen.


Uwe Schweikert
In: Opernwelt, Dezember 2009


Dem Musikfreund bleibt angesichts dieses Wälzers die Luft weg. Schier unglaublich, wie viel Arbeit sich hier ein "Fan" gemacht hat - und schade, dass es davon nicht viel mehr gibt. Christian Springer hat sich eine der weniger populären Opern Verdis, den wunderschönen Simon Boccanegra, ausgesucht, um hier mit einem edlen Hang zur Vollständigkeit zusammen zu tragen, was es zu diesem Werk gibt (das bezieht sich dann auch auf Bilder, Dokumente, vor allem Verdis Briefwechsel mit Boito und Ricordi, Fremdsprachiges ohne Übersetzung). Allerdings beschränkt sich das Buch auf die Fragen des Textes, denn musikalische Analysen, so meint der Autor, gäbe es bereits in erschöpfender Form.

Springer gibt dem Boccanegra einen Vorlauf, schildert Verdis Arbeit ab dem Rigoletto, Vollendetes und Projektiertes, und kommt ausführlich auf die Schwierigkeiten zu sprechen, die sich um den Boccanegra rankten, da Verdi zwischen verschiedenen Stoffen schwankte. Das Drama liegt aus der Feder des Spaniers Antonio Garcia Gutierrez (von 1843) vor, wird im Original voll abgedruckt, obwohl kaum jemand es lesen wird (bzw. kann), wobei man zumindest erkennt, dass Verdi die mit Grau unterlegten Szenen verwendet hat. Man erfährt viel zum historischen Dogen, bekommt dann Verdis Prosa-Libretto (auf Italienisch), in der Folge das ganze Chaos, das sich rundherum entfaltete.

Weiters wird die Uraufführung der Oper geschildert (12. März 1857 in Venedig), die Reaktionen, die Folgeaufführungen, schließlich die so wichtige Überarbeitung mit Hilfe des großen Arrigo Boito. Der ausführliche Anhang lässt nichts aus, nicht Diskographie, Zeittafel, Bibliographie, Register, ein Gustostück ist ein Regiebuch, in welches die Gänge der Sänger eingezeichnet sind.

Natürlich wird niemand dieses Buch zur Gänze lesen. Aber dass es vorhanden ist, kann als Leistung gar nicht hoch genug geschätzt werden.

P.S.: Es ist gewissermaßen berührend, dass der Autor dieses Buch auch deshalb vorlegt, um den Boccanegra von "unseriösen Kommentaren", wie er etwa von Seiten Eduard Hanslicks ausgesetzt war, zu reinigen. Das hätte sich dieser Beckmesser wohl nicht gedacht, wie lange seine Verrisse als schmerzende Wunden in der Nachwelt wühlen würden ...


Renate Wagner
In: Der neue Merker
Wien, 2. April 2009


Christian Springers Simon Boccanegra: Dokumente - Materialien - Texte zur Entstehung und Rezeption der beiden Fassungen behandelt in äußerst umfassender, wissenschaftlich fundierter und gleichzeitig ungemein flüssig und gut lesbarer Weise eine Oper, die zwar in ihrer Revision von 1881 als Meisterwerk gilt und als solches auch allgemein bekannt ist, deren komplexe Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte in all ihren Facetten aber bislang kaum beachtet wurde und deren Dokumente daher auch in der internationalen Verdi-Forschung nur einer kleinen Zahl von Spezialisten zugänglich waren.

Der Autor erkundet bei seinen Streifzügen durch die Quellen- und Überlieferungsgeschichte dabei vielfach neues Terrain, was - nicht nur hier, sondern in all seinen Publikationen - ein faszinierender Beweis dafür ist, daß selbst über diesen so gut erforschten Komponisten entweder noch nicht alles gesagt wurde oder aber, daß so manches, was von berufener und auch vielfach und zu oft unberufener Seite gesagt wurde, nicht selten der Korrektur und Neuinterpretation bedarf.

Ich möchte zwei Aspekte herausgreifen, die in der vorliegenden Publikation erstmals eingehend behandelt werden: die Disposizione scenica und die Petrarca-Briefe.

Zum ersten Punkt, zur sogenannten Disposizione scenica: Es handelt sich dabei um das erhaltene Regiebuch der Produktion an der Mailänder Scala von 1881. Obwohl von einigen Verdi-Opern entsprechende szenische Dispositionen in gedruckter Form existieren, wurde noch keine davon je ins Deutsche übersetzt. Hier nun findet man diesen von Giulio Ricordi bei den Proben angefertigten und mit Skizzen und Bewegungsabläufen versehenen Text erstmals ins Deutsche übersetzt und es wurde somit eine kaum bekannte Quelle zugänglich gemacht, welche in den Arbeitsverträgen künftiger Boccanegra-Regisseure eigentlich als Pflichtlektüre festgeschrieben werden sollte. Denn man kann daraus vor allem zwei Dinge lernen: Zum einen, daß Verdi, der ja die Probenarbeit selbst überwachte und leitete, ein eminenter Theaterpraktiker war, und zum anderen, daß hier der Autorenwille für alle Zeiten dokumentiert ist - nicht nur der Notentext, also die akustische Seite, sondern auch die optisch-szenische Umsetzung ist somit als zeitgenössisches Dokument überliefert, was sich als unschätzbare Chance für wahrlich authentische Realisierungen erweisen könnte.

Der zweite Punkt betrifft die sogenannten Petrarca-Briefe. Es ging auf Verdis Initiative zurück, daß zwei berühmte Briefe von Francesco Petrarca an die Dogen von Venedig und Genua aus den Jahren 1351 und 1352 direkt in das Libretto der Zweitfassung von 1881 Eingang gefunden haben. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts hatte der hochgebildete Rechtsanwalt Giuseppe Fracassetti die erste komplette kritische Edition und italienische Übersetzung der in lateinischer Sprache abgefaßten Epistulae familiares et variae von Petrarca herausgegeben, und es gilt als sehr wahrscheinlich, daß sich Verdi von dieser Fracassetti-Übersetzung, die der Komponist gut gekannt hat und die in seiner Bibliothek in Sant'Agata steht, inspirieren ließ. Die Literaturwissenschaft konnte in der Folge zahlreiche sprachliche Parallelen zwischen Verdi und Fracassetti herausarbeiten. Es ist, gemessen am Gesamtumfang des Buches, zwar ein schmales Kapitel, aber von umso größerer Bedeutung für die Boccanegra-Forschung, diese Briefe in ihrem relevanten Kontext zu besprechen und dem Leser jenes Bild zu vermitteln, welches Verdi und Boito von diesen gleichsam historisch-authentischen Quellen hatten. Auch hier ist wiederum die Erstübersetzung ins Deutsche der Version von Fracassetti besonders hervorzuheben.

Nach seinen beiden Verdi-spezifischen Büchern Verdi und die Interpreten seiner Zeit sowie Verdi-Studien beweist Christian Springer mit seinem neuen Buch über Simon Boccanegra erneut und eindrücklich, wie sehr er in der aktuellen Verdi-Forschung zuhause ist und sie maßgeblich mitgestaltet. Er beweist darüber hinaus aber in noch beeindruckenderer Weise, wie sehr er es zugleich auch versteht, diese Forschungsergebnisse auch durch mustergültige Übersetzungen einem breiteren Publikum in bestens lesbarer Form zugänglich zu machen. Das ist neben dem wissenschaftlichen Ertrag jener didaktische Zugewinn, der dem Autor ein bestechendes Feingefühl für den von ihm bei Fracassetti konstatierten Kultur- und Wissenstransfer bescheinigt. Und dies wiederum ist sicherlich die höchste Auszeichnung für ein wissenschaftliches Buch.


Mag. Dr. Thomas Lindner
(Dozent an der Universität Salzburg, Fachbereich Linguistik)
Aus einem Vortrag, gehalten im Italienischen Kulturinstitut in Wien
(3. November 2008 )


Stretta-Leser schätzen ihn als fachkundigen Autor zu "italienischen" Themen und Verdi-Fans sollten ihn von seinen "Verdi-Studien" und seinem Werk "Verdi und die Interpreten seiner Zeit" kennen. Das nunmehr vorgelegte Buch ist eigentlich die logische Fortsetzung einer Kette, die mit einem Umrunden von Verdi beginnt, sich dann schon direkt mit ihm beschäftigt und jetzt eines seiner Werke gründlicher wie es nicht geht im Detail behandelt. Wieso gerade den Simone? Klare Antwort: Damit die Steigerung zum Falstaff noch offen bleibt.

Und noch eine Klarstellung: Wer dem Otello oder der Macht oder welcher anderen Verdi Oper immer mehr zugetan ist und Simone nicht als die besondere Oper Verdis schätzt, sollte das Buch vielleicht durchblättern, weil schon beim Inhaltsverzeichnis lernt man dazu, aber er braucht es nicht zu lesen. Simon Boccanegra ist eine besondere Oper Verdis und hat mit den anderen nahezu nur gemein, dass sie auch von Verdi ist. Und um den Leserkreis noch weiter einzuschränken: Kenntnisse im Italienischen sind fast indispensabili und dieser Hinweis gilt auch gleich fürs Spanische. Aber selbst wenn man das auslässt, bleibt noch genug: der Weg vom Rigoletto bis zum Simone, die Vorgeschichte der Entstehung der Oper im Speziellen, der literarische und der historische Doge, technische Libretto-Fragen, die Proben, die Sänger, die Rezeption, der Triumph in Neapel und das Fiasko in Mailand, letztlich die Überarbeitung. Und das alles im Detail, mit neuen bisher unübersetzten und mit alten, aber neu übersetzten Dokumenten, die Probleme mit den Übersetzungen überhaupt ... der Autor als studierter Übersetzer weiß darüber Bescheid. Die knapp 720 Seiten in nicht gerade übergroßem Druck beherbergen einen klaren, sachlichen, objektivierenden, unsentimentalen und von Schwärmerei weit entfernten Text (das Persönlichste ist die Widmung an Renato Bruson und der zweiseitige Dank des Autors, der schon allein für sich ein essayistisches Vergnügen darstellt), dessen Spannungsgrad aus der Sachlichkeit heraus entsteht, aber immer so weit fordert, dass man sich auch auf das nächste Kapitel einlässt. Einziges Problem des Buches - ahimé! - ist, sich das alles zu merken, was drin steht, aber das ist nicht wirklich möglich und ich bezweifle sogar, dass der Autor selbst noch weiß, was er da alles zusammengetragen hat.

Wer die jetzige Simon Boccanegra-Serie in der Staatsoper versäumt hat, hat Pech gehabt, damit aber auch ausreichend Zeit, sich angemessen mit diesem Buch, das in mehrfacher Bedeutung eine Wertanlage darstellt, auf die nächste Saison vorzubereiten, in der es diese Oper ja hoffentlich wieder geben wird. Außer dem Autor ist auch dem Verlag für dieses Buch zu danken, das allen Opernfreunden empfohlen wird, die Oper nicht nur mit Gefühl, sondern auch überdurchschnittlich mit dem Kopf genießen und darüber hinaus - siehe oben - den Simone immer schon als besondere Herausforderung angesehen haben.


Dr. Heinz Irrgeher
Stretta, Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde der Wiener Staatsoper
Oktober 2008